Eine der Hauptfragen der Ausgrabungen galt dem Verbleib des Erdmaterials, das beim Ausheben des Grabens angefallen war. Die Auswertung der Grabenprofile lieferte mehrfach Hinweise auf asymmetrische Verfüllschichten, die als sekundär wieder in den Graben geflossener Aushub interpretiert werden. F. Bertemes nimmt daher an, dass der Erdaushub des Grabens als ein flacher, dem Graben vorgelagerter Erdwall aufgeschüttet worden war, der nachträglich z.T. wieder in den Graben hineinrutschte. Die Möglichkeit, dass das Erdmaterial zwischen Graben und Palisadenkränzen aufgeschüttet wurde, wie z.B. lange in Svodín (Slowakei) angenommen, ließ sich aufgrund der zahlreichen Grubenbefunde in diesem Bereich sicher widerlegen.
Für Goseck schien somit nachgewiesen, dass der Erdaushub vom Grabenbau nicht von der Anlage abtransportiert und an anderer Stelle gelagert oder einplaniert, sondern für den Bau der Anlage verwendet wurde.
Die neuesten Erkenntnisse bezüglichen der Frage nach der Existenz und dem Aufbau eines vorgelagerten Erdwalls stammen von Norma Henkel. Sie kommt in ihrer Dissertation zu dem Schluss, dass der Wall nicht in Gänze nachweisbar ist, sondern wohl eher als Abschnittswall rekonstruiert werden sollte. Dafür sprechen u.a. mehrere stichbandkeramische Gruben (Befunde 129, 460, 471), die genau im Bereich des vermuteten Erdwalls liegen. Zur Zeit der Kreisgrabenanlage kann zumindest in diesen Bereichen kein Wall bestanden haben.
Spannend ist, dass ein vor dem Graben liegender Wall weniger Schutzwirkung hat: Angreifende müssen nicht die längste Seite der Konstruktion aus dem Graben heraus erklimmen, sondern können vom Wall abwärts hinuntergehen und müssen dann nur noch aus dem Graben herausklettern. Sollte der Wall vielleicht eher symbolisch verhindern, dass etwas aus der Anlage nach außen kommt?
Da der Erdwall nur indirekt nachweisbar war, liegen keine absoluten Maße vor. Aufgrund der Grabengröße lässt sich die Höhe des Walls auf 1,5 bis 2,5 Meter bei einer Breite von 3 bis 5 Metern rekonstruieren.
Anders als bei den beiden südlichen Toren, ließ sich für das nördliche Tor kein eindeutiger astronomischer Bezug erkennen. Die Lage des Nordtores weicht außerdem leicht von der geografischen Nordrichtung ab.
Vor allem in der Verfüllung der östlichen Torwange traten große Mengen an Tierknochen sowie Keramik zutage, darunter auch besondere Stücke, die sich aufgrund ihrer Qualität und Verzierung vom übrigen Fundmaterial abheben. Eine weitere Besonderheit sind Hornzapfen und weitere Knochenfragmente nicht nur vom Hausrind sondern auch vom Auerochsen.
Das südöstliche Tor des Kreisgrabens war auf den Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende ausgerichtet: Stand man am Morgen des 21. Dezember in der Mitte der Anlage, fielen die Strahlen der aufgehenden Sonne genau durch das südöstliche Tor. Der Sonnenuntergang konnte über die Sichtachse durch das südwestliche Tor beobachtet werden.
Das Tor im Südwesten des Kreisgrabens korrespondiert ebenfalls mit solaren Beobachtungspunkten der Wintersonnenwende. Vom Mittelpunkt der Anlage fielen zur Wintersonnenwende am 21. Dezember die letzten Strahlen der untergehenden Sonne durch die Torwangen. Im Bereich der nördlichen Torwange (Bef. 386/04) traten besonders viele Tierknochenfunde auf, darunter vor allem Hornzapfen und Hornzapfenfragmente von Rindern.
Zwei konzentrische Palisadenringe grenzen den Innenbereich der Anlage nach außen ab. 1758 Holzpfosten wurden für die Wiedererrichtung beider Palisaden in den Boden eingetieft. Hierfür hob man zunächst einen Fundamentgraben aus und setzte dann die unangespitzten Pfosten ein. Die Hölzer wurden so eng nebeneinander platziert, dass sie eine weitgehend blickdichte Wand erzeugten. Im Verlauf der Ausgrabungen zeigte sich jedoch, dass die Palisaden bewusst an verschiedenen Stellen unterbrochen waren.
Beide Palisaden weisen an drei Stellen Durchlässe auf, die mit den Toren des Kreisgrabens übereinstimmen (Norden, Südosten, Südwesten). Vor den Durchlässen wurde jeweils ein mächtiger Einzelpfosten eingesetzt. Weitere Durchlässe in den Palisaden sind außerdem im Nordwesten und Nordosten sowie im Bereich der Sonderbestattung (Befund 139) dokumentiert worden. Bis auf das nördliche Tor sind alle Durchlässe auf Beobachtungspunkte astronomischer Ereignisse ausgerichtet.
Der Durchlass des inneren Palisadenrings war nur 60 cm breit und war beidseitig durch einen mächtigen Einzelpfosten betont. Die Öffnung des äußeren Rings war mit 80 cm etwas größer. Ähnlich wie beim Kreisgraben war der Durchlass hier mit Torwangen versehen, die allerdings nicht nach außen, sondern ins Innere der Anlage wiesen.
Ähnlich wie bei den Palisadendurchlässen im Südosten konnten auch im Norden Durchlässe und eine Torsituation beobachtet werden. Auffällig war hier die Breite des Durchlasses im Bereich der äußeren Palisade von über 3 Metern. Interessant ist hier, dass der Durchlass nicht exakt im Norden liegt. Eine astronomische Ausrichtung ist nicht bekannt.
Weitere Durchlässe im Südosten sind analog zum Kreisgraben auch bei den Palisaden zu vermuten. Aufgrund der schlechten Befunderhaltung in diesem Bereich der Grabung, ließen sie sich jedoch nicht mehr nachweisen.
Im Bereich der Innenpalisade bilden fünf locker gestellte Pfosten (Bef. 183, 184, 185, 186, 187) einen optischen Durchlass von ca. 1,5 m. Auch die Außenpalisade weist in diesem Bereich einen Durchlass von ca. 1,9 m auf. Die Öffnung der Außenpalisade wird hier durch vier Pfosten (Bef. 188, 189, 359, 358) gebildet, die in deutlichen Abständen zueinander aufgestellt wurden. Vom Mittelpunkt der Kreisgrabenanlage aus konnte man über diese beiden Palisadendurchlässe den Sonnenuntergang am Abend der Sommersonnenwende (21. Juni) beobachten.
Im Nordosten ist die Innenpalisade genau dort unterbrochen, wo der Sonnenaufgang am Tag der Sommersonnenwende am Horizont beobachtet werden konnte. Aufgrund der schlechten Erhaltung konnte eine analoge Unterbrechung der Außenpalisade zwar nicht dokumentiert werden. Zwischen der Innen- und Außenpalisade wurden jedoch zwei Pfostengruben beobachtet, die ebenfalls in der oben beschriebenen Visurlinie verlaufen. Es könnte sich dabei um Pfosten handeln, die für die Peilung des Sonnenaufgangs zur Sommersonnenwende dienten.
Der zentrale Beobachtungspunkt, von dem aus alle wichtigen solaren Ereignisse sichtbar waren, ist nicht der geometrische Mittelpunkt der Anlage. Der Beobachtungspunkt liegt etwas in Richtung Nordwesten versetzt. Von diesem Standort aus ließen sich die Sonnenauf- und -untergänge wichtiger astronomischer Ereignisse auf wenige Tage genau vorherbestimmen und beobachten. Die bedeutendsten Visurlinien verlaufen durch die beiden Durchlässe im Südosten und Südwesten. Nur hier spiegeln sich die Öffnungen der Palisaden auch im Kreisgraben wider. Sie korrespondieren mit den Auf- und Untergangspunkten der Sonne zur Wintersonnenwende (21. Dezember). Weitere Durchlässe in den Palisaden weisen auf die Sommersonnenwende (21. Juni) und Beltaine (30. April).
Mit maximal 75 m im Durchmesser gehört der Kreisgraben von Goseck zu den kleineren seiner Art. Es handelt sich um einen etwa 2 m breiten Spitzgraben, der ab Geländeoberkante noch bis in eine Tiefe von 1,80 m als verfüllter Graben sichtbar war.
Die Ausgrabungen zeigten, dass der Graben in Segmentbauweise errichtet worden war. Das heißt, einzelne Bereiche des Grabens wurden ausgehoben und schließlich miteinander verbunden. Dies lässt sich zum Beispiel in den stark variierenden Höhen der Grabensohle erkennen. Die Anlage konnte über drei Zugänge, je einer im Norden, im Südosten und im Südwesten betreten werden. Diese Zugänge waren als Tore gestaltet. Die beiden südlichen Tore waren dabei exakt auf den Auf- und Untergangspunkt der Sonne am Horizont zur Wintersonnenwende ausgerichtet.
Innerhalb der Grabenverfüllung lassen sich drei Verfüllhorizonte unterscheiden, die mit verschiedenen Nutzungsphasen der Anlage in Zusammenhang stehen: Die primäre Nutzungszeit der Kreisgrabenanlage erstreckte sich auf den Zeitraum zwischen 4900/4850 bis 4700 v. Chr. In dieser Zeit wurde der Graben immer wieder teilweise verfüllt, gesäubert und erneuert. Ab ca. 4700/4650 v. Chr. ließ man den Graben offen. Durch Regen und Wind eingetragenes Sediment sammelte sich auf der Grabensohle. Kurz darauf, etwa um 4650/4550 v. Chr., verfüllte man den Graben dann endgültig.
* Anmerkung der Redaktion:
Alle Angaben beruhen auf der bereits publizierten Literatur zum Fundort sowie auf ausgewählten Ergebnissen der noch unpublizierten Dissertation von Norma Literski-Henkel: N. Literski-Henkel, Die mittelneolithische Kreisgrabenanlage von Goseck, Lkr. Burgenlandkreis. Univ. Diss. (Halle (Saale) 2016) (im Druck).